Die Zunft Hard feiert dieses Jahr ihr hundertjähriges Bestehen. Auch wenn heute längst nicht mehr alle Hard-Zünfter Handwerker und Industrielle aus den Quartieren Aussersihl und Hard sind, sind die gelebten Grundwerte der Zunft all die Jahre die gleichen geblieben.
Das diesjährige Sechseläuten wird für die Zunft Hard in die Geschichte eingehen. Nicht nur ist es für die Quartierzunft von Aussersihl und Hard nach zweijährigem, pandemiebedingtem Unterbruch wieder möglich, im farbenprächtigem Rokoko-Kostüm und Dreispitz am Zug der Zünfte teilzunehmen, die Zunft Hard feiert dieses Jahr auch noch ihr hundertjähriges Bestehen. Die Zunft Hard nimmt den runden Geburtstag zum Anlass, ihr generationenübergreifendes Bestehen zu feiern.
Am Jubiläumsanlass zwei Wochen vor dem Sechseläuten bleiben die prächtigen Rokoko-Kostüme, welche nach der Vorgabe von Kupferstichen aus dem 18. Jahrhundert geschneidert wurden, noch im Schrank. Dennoch werden die Hard-Zünfter, mit Stolz im Gesicht und von ihrer Zunftmusik begleitet, den Weg zwischen Casino Aussersihl und Werdguet abschreiten. Symbolisch wird es die Strecke von ihrem Gründungsort bis zu ihrem heutigen Zunftsaal im Restaurant Werdguet am Hallwylplatz sein: «Als Zunftmeister und Nachfahre einer Gründerfamilie bin ich stolz, die Zunft Hard im Jubiläumsjahr begleiten zu dürfen», sagt Zunftmeister Marc Hunziker. Denn am 11. April 2022 wird es exakt ein Jahrhundert her sein, dass der damalige Vizezunftmeister Gustav Siegrist in der Gründungsversammlung in den heutigen Räumlichkeiten des Casinos Aussersihl 14 Männer um sich scharte und der Zunft Hard durch die Wahl eines Zunftmeisters und einer Vorsteherschaft Leben einhauchte.
Brücken ermöglichen Gewerbe
Das Wappen der Zunft Hard zeigt den im Mittelalter zu Verteidigungszwecken genutzte Hardturm. Unter dem Turm symbolisieren zwei geschwungene Linien die Nähe des Turms zur Limmat. Der historische Turm ist heute umgeben von der Überbauung Limmatwest und wird immer noch bewohnt. 1960 wäre der Turm beinahe den Plänen, an seinem Standort eine Strasse zu bauen, zum Opfer gefallen. Die geplante Strasse wurde jedoch nie realisiert und der Hardturm konnte bleiben.
Der Name «Hard» stammt aus dem althochdeutschen Wort «hart» und bedeutet Wald. Das Wort bezieht sich auf die im Mittelalter an der Limmat zwischen dem heutigen Hardplatz und Altstetten vorhandenen Auenwälder. Das Gebiet Aussersihl gehörte bis 1787 zur Gemeinde Wiedikon. Für die Entstehung dortiger Siedlungen war der Bau zweier Brücken über die Sihl Voraussetzung. Die Brücken ermöglichten, dass sich Gewerbetreibende in Aussersihl niederlassen konnten und dort eine gewerbliche und industrielle Entwicklung stattfinden konnte. Einer der ersten grossen Industriebetriebe war die 1786 von Melchior Esslinger eröffnete Stoffdruckerei am Limmatufer beim heutigen Escher-Wyss-Platz. Zeugen der industriellen Produktion sind bis heute noch erhalten – so beispielsweise die von Coop betriebene Getreidemühle Swissmill oder die ehemalige Seifenfabrik Steinfels im heutigen Steinfels-Areal. Seit 2006 bildet der Stadtkreis 4 mit Aussersihl und der Stadtkreis 5 als Industriequartier einen gemeinsamen Wahlkreis.
Heute noch ist die Verwurzelung zum lokalen Gewerbe von Aussersihl und Hard bei den Hard-Zünftern gegeben. Auch wenn längst nicht mehr so zahlreich wie zu Beginn, haben immer noch einige Hard-Zünfter einen gewerblichen Betrieb im Quartier. So beispielsweise Zunftmeister Marc Hunziker, der in dritter Generation einen Malerbetrieb an der Kanzleistrasse führt: «Es ist wichtig, dass die gewerblichen Betriebe im Quartier bleiben, um so dank kürzerer Anreisezeiten schneller bei den Kunden sein zu können», sagt Marc Hunziker.
Anzahl Zunftmitglieder steigt
Im Jahre 1950 nahm die Anzahl der Zunftmitglieder von rund 90 auf 135 Mitglieder zu. Auch die Zusammensetzung der Zünfter änderte sich in dieser Zeit: «Die Anzahl möglicher Mitglieder einer Zunft hat sich immer nach der Grösse des Zunftsaals zu richten», sagt der Zunftmeister. Der Anteil an Zünftern, die dem lokalen Gewerbe angehörig waren, nahm nach 1950 ab. So waren zu jener Zeit nur noch rund 15 Prozent der Hard-Zünfter Handwerker und es kamen mehr und mehr Mitglieder aus anderen Berufsgruppen wie Architekten, Juristen und Ökonomen dazu. Heute hat rund die Hälfte der Mitglieder der Hard-Zunft einen akademischen Hintergrund und der Anteil Gewerbetreibender oder Handwerker ist weiter rückläufig.
In den ersten Zunftjahren konnten Personen mit einer gezielten Anfrage und dem Ausspielen der richtigen Kontakte ihr Interesse an einer Aufnahme kundtun. Ab 1950 änderte auch dies und neu regelte ein Patensystem die Aufnahme in die Zunft. Ab 1953 schrieben die Statuten vor, dass Kandidaten nicht nur im Besitz eines Schweizer Passes sind, sondern dass Eingebürgerte diesen auch schon mindestens zehn Jahre haben müssen. Mögliche Kandidaten werden heute noch durch ein Zunftmitglied als Paten in den Kreis der Zünfter eingeführt. Ein zweites Zunftmitglied muss die Kandidatur zudem schriftlich unterstützen. Ein Kandidat hat während zweier Jahre mit seiner aktiven Teilnahme an den wichtigsten Zunfttreffen präsent zu sein. Mit der Empfehlung des zweiten Zunftpaten kann der Interessent dann ein Gesuch für die Zulassung als Kandidat einreichen. In einem nächsten Schritt findet ein Gespräch mit der Aufnahmekommission statt, welches positiv auszufallen hat. An der Zunftversammlung wird der von der Vorsteherschaft vorgeschlagene Kandidat dann den Zünftern zur Aufnahme unterbreitet und muss von diesen gewählt werden.
Blick in die Zukunft
Am Zunftleben nehmen, hundert Jahre nach der Gründung, meist drei bis vier Generationen teil, welche Tradition, Freundschaft und zöiftiges Zusammensein pflegen. Ende 2020 bestand die Zunft aus 136 Männern unterschiedlicher Alters- und Berufsgruppen. In den vergangenen vierzig Jahren gestaltet sich die Beziehung zu den Zünftersfrauen immer im gleichen Rahmen. Neben gemeinsamen Veranstaltungen, wie dem Sommerausflug mit den Männern, pflegen die Zünfterfrauen ihre eigenen Anlässe durchzuführen. Bei der Reitergruppe sind Frauen schon lange mit dabei und umrunden den Böögg als Amazonen hoch zu Ross.
Eine zunftintern gebildete «Arbeitsgruppe Zunft 2050» kümmert sich heute schon darum, wie die Werte der Zunft Hard auch in Zukunft hochgehalten werden können und gleichzeitig dem Wandel in der Gesellschaft entsprochen werden kann. «Auch die Geschlechterfrage wird in Zukunft zunftintern thematisiert werden müssen. Hier werden sich die jüngeren Zünfter einbringen und die Fäden in die Hand nehmen müssen», sagt Zunftmeister Marc Hunziker abschliessend. Wer die Zunft Hard mit ihren prächtigen Kostümen am Zug der Zünfte vom 25. April miterleben möchte, wird diese an 18. Stelle durch die Strassen Zürich marschieren sehen.
Jubiläumsschrift 100 Jahre Zunft Hard: Rokoko in Aussersihl
Das umfassende Werk ermöglicht eine Aufarbeitung der Zunftgeschichte von der Gründung 1922 bis zur Gegenwart. Autor Martin Illi ist Historiker und Autor zahlreicher kulturhistorischer Monografien mit Schwerpunkt Zürich und geht der Zunftgeschichte auf 296 Seiten sowier 85 historischen Abbildungen mit viel Liebe zum Details auf den Grund. Weitere Informationen zur Jubiläumsschrift und Buchbestellung unter: www.scheidegger-spiess.ch